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  • AutorenbildLisa Aeschlimann

Weggesperrt auf unbestimmt: Der Fall Marc Senn

Ein junger Mann wird zu zwei Jahren Haft verurteilt – und sitzt nun seit 23 Jahren. Wie ist das möglich? Eine Geschichte über die Abgründe unseres Justizsystems.


Foto: Stefan Bohrer


Die Verwahrten in der Pöschwies erkennt man auf den ersten Blick. Sie sind älter, vorwiegend weiss, die meisten gehen etwas gekrümmt, langsam, fast schlurfend; nicht wenige sind übergewichtig – Folgen des jahrelangen Bewegungsmangels oder der Medikamente.


Auch Marc Senn (Name geändert), der gerade den Besucherraum der grössten Haftanstalt der Schweiz betritt, sieht älter aus, als er eigentlich ist. Gesicht und Gang erinnern an einen 60-Jährigen, dabei ist er erst Anfang 40. Senn trägt die Gefängnis-Einheitskluft: braune Hose, hellblaues Sweatshirt. Er ist klein, aber kräftig, die Haare sind kurz, die Arme tätowiert. Sein Gesicht ist unscheinbar – abgesehen von den grossen, braunen Augen.


Marc Senn sitzt seit 23 Jahren. Seinen letzten Freigang hatte er 2001 – vor 22 Jahren. Marc Senn war noch fast ein Kind, als er inhaftiert wurde. Und er wird alt sein, wenn er freikommt. Wenn er überhaupt freikommt. Denn Senn ist verwahrt.


Senn hat nie eine Ausbildung gemacht, nie gearbeitet, nie eine Familie gegründet, nie längere Freundschaften gepflegt. Hatte nie eine eigene Wohnung, nie ein Zuhause.


Besuch ist für ihn ungewohnt. Nur eine Freiwillige aus dem Team 72, einem sozialen Projekt zur Reintegration, kommt noch zu ihm. Er besteht darauf, der Journalistin Wasser zu bringen. Beim Wasserspender am Ende des Raums drückt er jedes Mal so fest, dass der Becher überquillt, das Wasser auf den Boden tropft. Er bringt es an den Tisch, «bitteschön, Mademoiselle», und macht einen leichten Knicks. Weiterlesen auf blick.ch


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