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In den Badis schwimmt der Dreck

Urin, Schweiss, Sonnencreme – was die Inspektoren im Wasser finden, lädt nicht zum Baden ein.

Muss oft Kot aus den Becken fischen: Olaf Klement, Bademeister im Zürcher Freibad

Allenmoos. Foto: J. Khakshouri

Man hätte wohl gerne ihr Gesicht gesehen, als sie die Proben auswerteten: Die Chemiker des kantonalen Labors in Zürich fanden letztes Jahr in zwei Bädern derart verunreinigtes Wasser, dass die betroffenen Badis noch während der Kontrolle schliessen mussten.

In einem Becken war seit über fünf Tagen kein Desinfektions­mittel mehr im Wasser, sodass sich Keime und Bakterien ausgebreitet hatten. Sogenannte Pseudomonas aeruginosa, die beim Menschen Mittelohrentzündungen und ­eitrigeInfektionen provozieren. Der Bade­meister hatte die Angaben der Messgeräte ignoriert.

In einem anderen Bad fiel der Reaktor aus, der das nötige Chlor herstellt. Obwohl die Reparatur­firma schon vor Ort war, hatte der Bademeister versucht, von Hand Desinfektionsmittel ins Wasser zu geben. Das Mittel war dafür weder zugelassen noch geeignet. Beide Badis durften erst wieder öffnen, als das Wasser gereinigt war. Um welche Anlagen es sich handelt, sagt der Kanton nicht. Das täte er nur, «wenn es für die Sicherheit der Konsumenten angezeigt ist».

Zu viel Urin und Schweiss

Die schiere Anzahl Badegäste im rekordheissen Sommer 2018 belastete die Wasserqualität der Badis stark. Und dieses Jahr ­könnte die Situation noch prekärer werden: Die Berner Badeanstalten waren an den Hitzetagen vor den Sommerferien «sehr voll». In Zürich wurde der Besucherrekord vom Vorjahr Ende Juni übertroffen. Und in Basel rechnet die Stadt mit so vielen Eintritten wie seit sechs Jahren nicht mehr.

Die Zahlen der kantonalen Labors zur Wasserqualität zeigen nun, dass 2018 längst nicht alle Freibäder sauber waren. Häufigstes Problem: ein zu hoher Chloratgehalt. Die Chemikalie, die bei der Wasseraufbereitung entsteht, beschädigt rote Blutkörperchen. Im Kanton Zürich war dieser Wert bei jedem zweiten geprüften Becken zu hoch. Viermal fanden die Chemiker Keime aus Fäkalien.

In jedem vierten Becken enthielt das Wasser zu viel Harnstoff, also Urin, Schweiss, aber auch Rückstände von Sonnencreme und Kosmetik. Der typische «Chlorgeruch» im Bad ist übrigens ein Zeichen dafür, dass der Harnstoffgehalt im Wasser hoch ist – Chlor riecht erst in der Kombination.

Zu wenig Desinfektionsmittel

Im Kanton Aargau trat wegen eines technischen Fehlers in einem Freibad Chlorgas aus. 700 Gäste mussten evakuiert werden, den Bademeister und fünf Gäste brachte man zur Untersuchung ins Spital. In zwei anderen Badeanstalten stellten die Chemiker «grobe Mängel» fest: Einmal fehlten wichtige Dokumente, ein andermal hatte der ­Bademeister das Bad nicht fachgerecht saniert. In anderen Becken hatte es zu viel Sand, Algen oder ­Filterrückstände.

Auch im Kanton Bern wiesen 22 der 50 kontrollierten Bäder Mängel auf. Meistens war die Konzentration des Desinfektionsmittels zu tief, oder es fehlten Kontrollmessungen. In einem Becken massen die Prüfer einen fünfmal höheren Chloratwert als erlaubt.

Duschverweigerer sind am schlimmsten

Warum fallen so viele Badis durch den Hygienetest? «Bei Hochbetrieb ist es schwierig, alle Anforderungen ans Badewasser einzuhalten», sagt die Aargauer Kantonschemikerin Alda Breitenmoser. Bei dauerndem Grossandrang könne sich das Wasser schlecht regenerieren.

Den grössten Einfluss haben aber die Besucher selbst: «Badegäste leisten einen grossen Beitrag zur Wasserqualität», sagt Breitenmoser. Am schlimmsten seien jene Grüselgäste, die vor dem Baden nicht duschten oder die ­Unterhose unter den Shorts anbehielten.

Das kennt auch Olaf Klement, Bademeister im Zürcher Freibad Allenmoos. «Gar nicht gut ist, wenn Gäste mit frisch aufgetragenem Sonnenschutz ungeduscht ins Wasser springen», sagt er. Was Unterwäsche unter den ­Badehosen angehe, hätte er schon die «absurdesten» Ausreden gehört: «Als ich einem Jugendlichen sagte, dass er so nicht ins Wasser kann, meinte dieser, er hätte sich die Unterhose aber extra frisch angezogen.»

Hauptsache unfallfrei

Nicht immer sind die Gäste einsichtig. Besonders mit jungen Eltern muss Klement oft diskutieren. Wegen der Badewindeln, die ihre Kleinsten im Becken tragen. Im Wasser dehnen sie sich aus – und Klement muss mehrmals pro Woche Kot aus dem Wasser fischen. Um das Schlimmste zu verhindern, bittet er Eltern, den Kindern Bade­hosen über die Windeln zu ziehen. «Einige ­beharren darauf, dass Windeln ­reichen.»

Im Extremfall kann er ­renitente Gäste aus der Badi weisen. Meistens reiche aber die Drohung dazu. An einem heissen Sommertag mit mehreren Tausend Gästen haben Bademeister ohnehin keine Zeit für Grüselgäste: «An solchen Tagen sind wir einfach froh, wenn keine schweren Unfälle passieren.»

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