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  • AutorenbildLisa Aeschlimann

Lokführer fahren immer häufiger über Rot

Noch nie wurden so viele Rotlichter überfahren wie letztes Jahr. Dies verursacht Millionenschäden – und kostet im Extremfall Leben.

Der Interregio (l.) fuhr los, doch die Ampel stand auf Rot: Unglück in Rafz 2015. Foto: ZUM

Es war noch dunkel, und wegen einer Kurve waren die Signale teils schlecht erkennbar. Der Lokführer lenkte die S-Bahn aus dem Bahnhof Rafz in Richtung Schaffhausen – obwohl sein Signal auf Rot war. Er hatte es übersehen und fuhr mit fast 60 Stundenkilometern durch. Trotz automatisch ausgelöster Zwangsbremsung kam der Zug erst zu spät zum Stehen und ragte ins Gleis des verspätet aus Bülach kommenden Interregios. Dieser prallte mit 110 Stundenkilometern in die Seite der S-Bahn. Sechs Personen wurden verletzt, zwei schwer, der Lokführer des Interregios schwebte nach dem Crash in Lebensgefahr.

Das Zugunglück in Rafz vom Februar 2015 war eines der schwersten in letzter Zeit. Es entstand ein Sachschaden von 13 Millionen Franken. Verursacht wurde es durch einen sogenannten Signalfall – wenn Lokführer Signale übersehen, missachten oder verwechseln.


Wie Daten des Bundesamts für ­Verkehr zeigen, haben diese Fälle in den letzten Jahren deutlich zugenommen. 363 Signalfälle gab es alleine im letzten Jahr – ein Rekord. Als 2010 erstmals jede «Fehlhandlung gegen Signale im Bahnverkehr» erfasst wurde, zählte der Bund erst 224 solcher Fälle. 108 Personen wurden bisher deswegen verletzt, 15 davon schwer. Beim Zugunglück in Granges-Marnand im Waadtland 2013 musste gar eine Person ihr Leben lassen: Der 24-jährige Lokführer starb, als sein Regio-Express mit einem Regionalzug kollidierte. Der andere Lokführer hatte ein Haltesignal missachtet.

Die Sachschäden dabei sind enorm: Mehr als 56 Millionen Franken kosteten überfahrene Rotlichter seit 2010. Als im Januar 2010 in Brig VS zwei Güterzüge aufeinanderprallten, lag der Schaden bei 7 Millionen Franken. Drei Jahre später fuhr in Lenzburg AG ein Güterzug nachts in einen Personenzug – der Lokführer hatte die grüne Ampel für den Personentransport fälschlicherweise für sein Signal gehalten. Am Zug entstand ein Totalschaden, Kosten: 6 Millionen Franken. Im Mai 2015 stiessen in Erstfeld UR zwei Güterzüge ineinander. Die Züge und Gleisanlagen mussten für 4,5 Millionen Franken repariert werden.

Besonders Junge betroffen –Verbände fordern längere Ausbildung

Warum fahren immer mehr Lokführer über Rot? Wie die Daten zeigen, ist häufig die Unachtsamkeit der Lokführer die Ursache. Sie sind oft abgelenkt, weil sie neben dem Fahren noch mit dem Fahrdienstleiter Abklärungen treffen müssen.

Hubert Giger, Präsident des Lokführerverbands, sagt: «Der Arbeitsdruck der Lokführer ist gestiegen: Es gibt mehr Signale, die Geschwindigkeiten sind höher, die Beschleunigungen grösser.» Und die Gewerkschaft des Verkehrspersonals schreibt in ihrem Magazin: «Vielfach sind die wichtigen Entspannungspausen von wenigen Minuten zwischen zwei Einsätzen weggefallen.» Wenn Lokführer wegen Personalmangel noch Extraschichten fahren müssen, sei das wenig förderlich für die Konzentration. Es kommt vor, dass Lokführer in weniger als 15 Minuten den Zug wechseln, am Bahnhof auf den neuen Zug hetzen, sich einrichten und bereits weiterfahren müssen.

Laut den SBB verursachen nebst sehr erfahrenen vor allem junge Lokführer Signalfälle. Für den Lokführerverband liegt es an der Ausbildung: Er wünscht sich, dass junge Lokführer mehr Praxis bekommen, bevor sie alleine fahren. «Speziell im Bereich Rangieren.» Vor allem hier ist die Anzahl der Fälle angestiegen. Im Gegensatz zu den sogenannten Hauptsignalen sind Rangiersignale häufig nicht mit einem Sicherungssystem versehen.

«Leicht besser unterwegs»

«Rangieren braucht Erfahrung und Fingerspitzengefühl. In der Ausbildung lernt man das immer weniger», sagt Verbandspräsident Hubert Giger. Aus den Zahlen zu Signalfällen könne man aber höchstens eine Tendenz ablesen: «Die Kilometer pro Lokführer nehmen zwar zu, gleichzeitig sind immer mehr Signale mit modernen Sicherheitseinrichtungen überwacht.»

Die SBB versuchen, das Risiko für Signalfälle mit verschiedenen Massnahmen zu senken: So bieten sie unter anderem Auffrischungskurse an und stellen Experten, die bei fachlichen Fragen weiterhelfen. Das Personal könne zudem jederzeit Begleitfahrten von Ausbildungsleitern anfordern, um Unsicherheiten zu beheben. Zahlen fürs aktuelle Jahr gibt der Bund nicht bekannt. Laut den SBB zeichnet sich aber ein gegenläufiger Trend ab: «Wir sind leicht besser unterwegs als im Vorjahr», sagt ein Sprecher.

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